Pascal Meiser: Ryanair – Streikrecht durchsetzen und Mitbestimmungsrechte stärken

19.10.2018 – In der Tarifauseinandersetzung für bessere Arbeitsbedingungen, einer existenzsichernden Entlohnung sowie einen eigenen Betriebsrat setzt der irische Billigflieger Ryanair alles daran, durch massive Einschüchterungsversuche das Streikrecht zu unterlaufen. Die Strategie von Ryanair darf kein Erfolg haben: Sonderregelungen im Betriebsverfassungsgesetz für Luftfahrtunternehmen sind zu streichen, die ILO-Kernarbeitsnormen sind ein zuhalten. Ansonsten droht der Entzug der Start- und Landerechte.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es um die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht, nimmt Michael O’Leary, der Chef der Billigfluglinie Ryanair, kein Blatt vor den Mund. Ich darf zitieren:

„Heute müssen Unternehmen-Chefs sagen, unsere Beschäftigten sind unser wichtigstes Asset. Was für ein Schwachsinn. Die Beschäftigten sind unser größter Kostenblock und viele sind so faul, dass wir sie ständig in den Hintern treten müssen.“

(Bernd Rützel [SPD]: Unfassbar! – Zurufe von der LINKEN: Buh! – Unglaublich!)

Ich finde, dieses Zitat lässt tief blicken, und ich finde, eine solche arbeitnehmerfeindliche Haltung hat in einer sozialen Marktwirtschaft, die diesen Namen verdient, nichts, aber auch gar nichts verloren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In den letzten Wochen habe ich viele persönliche Gespräche mit Flugbegleiterinnen und Piloten geführt, die hier in Deutschland leben und täglich von deutschem Boden aus ihren Dienst für Ryanair antreten. Das kann ich Ihnen allen nur sehr empfehlen, wenn Sie es noch nicht selbst getan haben; denn die Geschichten, die diese Menschen zu erzählen haben, sind erschreckend. Fast 70 Prozent der in Deutschland stationierten Flugbegleiterinnen sind bei einer dubiosen irischen Leiharbeitsfirma angestellt, nicht selten mit Armutslöhnen in Vollzeit von unter 1 000 Euro im Monat. Versetzungen quer durch Europa, von heute auf morgen und ohne jegliche Mitbestimmung, sind an der Tagesordnung. Was das für junge Familienväter und -mütter bedeutet, können Sie sich sicher leicht ausmalen.

Auch beim Kündigungsschutz verstößt das Unternehmen systematisch gegen geltendes deutsches Recht. Wer sich mehr als dreimal krankmeldet, wird nicht selten zum Personalgespräch nach Irland zitiert und riskiert, seinen Job zu verlieren. Die Folge: Flugbegleiterinnen und Piloten steigen krank ins Flugzeug, anstatt sich auszukurieren – das alles auch zulasten der Sicherheit der Passagiere.

1,5 Milliarden Euro Gewinn hat Ryanair mit diesem Geschäftsmodell im letzten Jahr gemacht. 1,5 Milliarden Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich übt ein solches Geschäftsmodell Druck auf die gesamte Flugverkehrsbranche aus, geraten Löhne und Arbeitsbedingungen auch bei anderen Flugunternehmen unter Druck. Ich kann nur sagen: Ich finde, es ist eine Riesensauerei, was da bei Ryanair passiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich frage mich schon, warum Aufsichtsbehörden und Regierung diesem Treiben schon so lange tatenlos zusehen. Umso beeindruckender finde ich, dass die Flugbegleiterinnen und Piloten sich jetzt gemeinsam gegen diese Zustände wehren

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und, ja, dass sie quasi aus Notwehr jetzt auch für ihre Rechte streiken. Diese mutigen Frauen und Männer – einige von ihnen sind heute hier auf der Tribüne zu Gast –

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

fordern nicht mehr und nicht weniger als Respekt für die eigene Arbeit, Löhne, von denen sie leben können, und Arbeitsbedingungen, die nicht krankmachen. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und sie kämpfen für einen Betriebsrat. Denn das Betriebsverfassungsgesetz sieht für das fliegende Personal – und nur für dieses – vor, dass der Arbeitgeber der Gründung einer Personalvertretung ausdrücklich per Tarifvertrag zustimmen muss. Doch Ryanair verweigert seinen Beschäftigten nicht nur die Gründung eines Betriebsrats. Auch das grundgesetzlich garantierte Streikrecht wird ganz offen torpediert – mit Lügen, Einschüchterungen und Abmahnungen.

Am Standort Bremen – dort, wo die Flugbegleiterinnen es als Erstes gewagt haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren und zu wehren – will Ryanair jetzt ein Exempel statuieren und den Standort schließen. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich will Ryanair auch weiterhin von und nach Bremen fliegen und am dortigen Flugverkehr verdienen – nur eben ohne die wehrhafte Bremer Belegschaft. Die soll von heute auf morgen in aller Herren Länder versetzt werden. Ich finde, diese Angriffe auf das Streikrecht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb ist es gut und wichtig, dass fraktionsübergreifend zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus – ich will sie jetzt nicht nennen; einige sind im Saal – persönlich Patenschaften für die streikenden Beschäftigten übernommen haben. Aber dem müssen jetzt auch Taten folgen. Denn mit jedem Tag, den wir warten, verlieren weitere Ryanair-Beschäftigte ihren Job, und viele andere werden weiter Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik verlieren.

Deshalb: Lassen Sie uns jetzt schnell gemeinsam handeln! Meine Fraktion hat dazu konkrete Vorschläge vorgelegt. Ich habe heute Morgen erfreut zur Kenntnis genommen, dass Arbeitsminister Heil bereits darauf reagiert und einen Teil unserer Vorschläge übernommen hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hoffe nur, das ist nicht wieder eine der bekannten Ankündigungen, denen dann nichts folgt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass künftig auch das fliegende Personal einen Betriebsrat wählen kann, ohne dabei auf die Zustimmung des Arbeitgebers angewiesen zu sein!

(Beifall bei der LINKEN)

Aber lassen Sie uns auch dafür sorgen, dass auch bei Billigfluglinien wie Ryanair – und das betrifft nicht nur Ryanair – das Streikrecht gilt. Wenn ein Unternehmen wie Ryanair glaubt, weiterhin grundlegende Arbeitnehmerrechte verletzen zu müssen, dann muss die Bundesregierung dafür sorgen, dass die Fluglinie ihre Start- und Landerechte in der Bundesrepublik verliert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das wäre ein starkes und wichtiges Signal, nicht nur an Ryanair-Chef O’Leary,

sondern auch an alle, die glauben, sich in Deutschland wie in einer Bananenrepublik gebärden zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)