Pascal Meiser: Außenwirtschaftsrecht muss Unternehmen und Beschäftigte schützen!

Pascal Meiser, DIE LINKE: Außenwirtschaftsrecht muss Unternehmen und Beschäftigte vor Heuschrecken schützen! Die Instrumente der Investitionskontrolle müssen ausgebaut werden, um Unternehmen und Beschäftigte vor Heuschrecken-Fonds zu schützen. Wenn Beschäftigte und ihre Betriebsräte die Befürchtung haben, dass ein ausländischer Investor ihren Betrieb für kurzfristige Gewinne ausplündern will, dann muss eine solche Investition geprüft, notfalls untersagt oder zumindest mit Auflagen zur Standort- oder Beschäftigungssicherung versehen werden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit Jahren steigt in Deutschland die Zahl der Unternehmensübernahmen durch ausländische Investoren. Schon vor der Coronakrise waren nach einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung jährlich etwa 100 000 Arbeitsplätze in Deutschland allein von Übernahmen durch die Private-Equity-Fonds, landläufig auch gerne als Heuschreckenfonds bezeichnet, betroffen. Auch Übernahmepläne chinesischer Staatsfonds in strategisch sensiblen Bereichen sind zuletzt immer öfter in die Schlagzeilen geraten. Es ist in der Tat zu befürchten, dass die Coronakrise diese Entwicklung weiter beschleunigen wird. Zugleich wächst bei immer mehr Menschen die Unsicherheit, wenn strategische Unternehmensentscheidungen plötzlich irgendwo in den USA oder in China getroffen werden. Ich bleibe dabei: Diese Sorgen sollten wir alle sehr ernst nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Um gar nicht erst Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ja, ausländische Investitionen, die dazu beitragen, den Wohlstand der Mehrheit der Menschen in unserem Land zu mehren, sind auch uns als Linken herzlich willkommen. Aber dort, wo solche Investitionen eine Bedrohung für diesen Wohlstand oder gar für die öffentliche Ordnung darstellen, muss der Staat aus unserer Sicht klare Kante zeigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Viel zu lange hat die Bundesregierung geleugnet, dass hier überhaupt Handlungsbedarf besteht. Aber unser beständiges Nachhaken ist ganz offensichtlich auch an der Großen Koalition nicht ganz spurlos vorübergegangen. Deshalb begrüßen wir als Linke es, dass das Investitionsprüfungsrecht jetzt endlich geschärft werden soll, um ausländische Beteiligungen besser kontrollieren zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Das gilt für die Erweiterung der Entscheidungsspielräume für die prüfende Behörde. Das gilt für die Einführung eines neuen Straftatbestands, der bei gravierenden Verstößen im Rahmen der Investitionsprüfung greifen soll. Das gilt insbesondere für die Möglichkeit, künftig in allen meldepflichtigen Branchen Maßnahmen ergreifen zu können, die verhindern, dass Investoren vor Abschluss der Prüfung unumkehrbare Fakten schaffen. Dass es hier bisher scheunentorgroße Schlupflöcher gibt, hat sich in der Vergangenheit schon des Öfteren als verhängnisvoll erwiesen.

Ich erinnere an die Übernahme des Glasfaserspezialisten Coriant, einer ehemaligen Siemenstochter, durch den US-amerikanischen Investor Infinera Ende 2018. Erst als wir als Abgeordnete fraktionsübergreifend Druck gemacht haben – neben mir sind hier der Kollege Wegner von der CDU und der Kollege Schulz von der SPD zu nennen –, leitete das Wirtschaftsministerium überhaupt erst eine Prüfung ein. Doch bevor diese abgeschlossen war, hatte der neue Eigentümer innerhalb kürzester Zeit generalstabsmäßig 1 600 zum Teil sensible Patente abgegriffen, den Berliner Produktionsstandort dichtgemacht und die Fertigung an einen Vertragspartner nach Thailand ausgelagert. Hätte die Bundesregierung bereits damals die bekannten Schlupflöcher bei den Investitionsprüfungen geschlossen gehabt, wäre das sicherheitsrelevante Know-how vermutlich im Lande geblieben und rund 400 Arbeitsplätze in Berlin und Hunderte weitere in München gerettet worden.

So sinnvoll die jetzt vorliegenden Änderungen auch sein mögen, sie stellen bestenfalls einen kleinen Schritt in die richtige Richtung dar. Entscheidend wird sein, welche Branchen künftig tatsächlich in welcher Form anhand welcher Kriterien geprüft werden. Diese weitreichenden Fragen – Herr Altmaier hat es erwähnt – werden nicht mit dem vorliegenden Gesetzentwurf durch den Deutschen Bundestag entschieden, sondern erst im Nachgang der Verabschiedung des Gesetzentwurfes im Rahmen der Überarbeitung der Außenwirtschaftsverordnung.

Herr Altmaier, deshalb sage ich: Wenn Sie es tatsächlich ernst meinen mit dem Schutz von inländischen Unternehmen, technologischem Know-how und hiesigen Arbeitsplätzen, dann müssen Sie im nächsten Schritt dafür sorgen, dass der Anwendungsbereich für Investitionsprüfungen in der Außenwirtschaftsverordnung deutlich weiter und flexibler gefasst wird, als dies bisher der Fall ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu möchte ich Ihnen für meine Fraktion Die Linke – natürlich verbunden mit den besten Wünschen zum Geburtstag – einige freundliche Hinweise mit auf den Weg geben.

Erstens. Führen Sie eine allgemeine branchenübergreifende Meldepflicht ein, und begrenzen Sie diese nicht wieder auf einige wenige Branchen, auch damit für Investoren aus Drittstaaten keine Unsicherheiten entstehen, ob sie im Zweifel nun unter die Meldepflichten fallen oder nicht. Diese Rechtssicherheit muss doch auch in Ihrem Interesse als Wirtschaftsminister liegen.

Zweitens. Etablieren Sie ein effektives Überwachungsverfahren, das sicherstellt, dass alle ausländischen Beteiligungen tatsächlich erfasst werden und sich kein Investor seinen Meldepflichten entziehen kann. Bisher ist Ihr Ministerium hier – ausweislich Ihrer Antworten auf unsere Fragen – doch eher im Blindflug unterwegs.

Drittens. Konkretisieren Sie die Prüfkriterien dahin gehend, dass eine wahrscheinliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung nicht auf sicherheitspolitische Aspekte begrenzt bleibt, sondern beziehen Sie dabei auch mögliche Risiken für die Volkswirtschaft, für den Arbeitsmarkt und für die Umwelt ein, Herr Altmaier.

Viertens. Stellen Sie sicher, dass bei der Prüfung von Beteiligungen und Übernahmen insbesondere auch die Auswirkungen auf die sozialökologische Transformation und hierfür relevante Wertschöpfungsketten berücksichtigt werden – so wie es übrigens auch der Deutsche Gewerkschaftsbund in seiner Stellungnahme fordert.

Fünftens. Sorgen Sie dafür, dass die Instrumente der Investitionskontrolle auch genutzt werden können, um Unternehmen und deren Beschäftigte vor den schon erwähnten Heuschreckenfonds zu schützen. Wenn Beschäftigte und ihre Betriebsräte die begründete Befürchtung haben, dass ein ausländischer Investor ihren Betrieb einzig für kurzfristige Gewinne ausplündern und danach wieder entsorgen will, dann muss auch eine solche Investition künftig geprüft, notfalls untersagt oder zumindest mit Auflagen zur Standort- oder Beschäftigungssicherung versehen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Und schließlich: Machen Sie von den verschärften Kontrollmöglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch; denn die besten Regelungen helfen nichts, wenn der entsprechende politische Wille fehlt. Und der war, bei allem Respekt, im Bundeswirtschaftsministerium bisher beileibe nicht zu erkennen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)