Pascal Meiser: Weihnachtsgeld bringt nur ein guter Tarifvertrag!

  • 12. Dezember 2019
  • Reden

Weihnachtsgeld bringt weder der Weihnachtsmann noch das Christkind, sondern nur ein guter Tarifvertrag! Immer mehr Unternehmen begehen jedoch Tarifflucht und entziehen sich ihrer sozialen Verantwortung. Deshalb fordert DIE LINKE, die allgemein verbindliche Erstreckung von Tarifverträgen auf alle Unternehmen einer Branche zu erleichtern und das faktische Veto-Recht der Arbeitgeberverbände dagegen zu streichen. Nur so lässt sich Lohndumping stoppen und dafür sorgen, dass deutlich mehr Beschäftigte ein Weihnachtsgeld erhalten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lange vor den ersten Tarifverträgen gab es im Schusterhandwerk den Brauch, dass der Meister seinem Gesellen zum Weihnachtsfest ein Stück Leder schenkte. Der Meister wollte sich damit für die geleistete Arbeit erkenntlich zeigen. Der Geselle konnte sich daraus zu Weihnachten ein paar Schuhe fertigen.

(Bernd Rützel [SPD]: Das habe ich auch gelesen!)

Viele Jahre später entstand aus dieser Tradition das sogenannte Weihnachtsgeld. Immerhin 76 Prozent aller Beschäftigten, die unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen, erhalten heute zum Jahresende eine solche Sonderzahlung. Im Durchschnitt sind das rund 2 600 Euro brutto, die nicht nur gut gebrauchen kann, wer zusätzliche Aufwendungen für Weihnachten hat und seine Liebsten beschenken möchte. Ich finde, ein solches Weihnachtsgeld ist das Mindeste, das Beschäftigte am Jahresende als Anerkennung verdient haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Klar ist aber auch: Das Weihnachtsgeld bringt nicht der Weihnachtsmann oder das Christkind, sondern nur ein guter Tarifvertrag. Denn von den Beschäftigten, die nicht unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen, erhalten lediglich 42 Prozent eine solche Sonderzahlung.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Bezahlen Sie Ihren Leuten eigentlich Weihnachtsgeld?)

Die Zahl der Unternehmen, die sich durch Tarifflucht ihrer sozialen Verantwortung entziehen, nimmt bedrohlich zu. Waren vor 15 Jahren immerhin noch rund sieben von zehn Beschäftigten von einem Tarifvertrag geschützt, so ist es heute noch mehr als jeder Zweite. Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen wird durch diese Tarifflucht Tür und Tor geöffnet. Meine Damen und Herren, ich finde, das ist und bleibt eine völlig inakzeptable Entwicklung.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb haben auch all diejenigen, die in diesen Tagen zum Beispiel beim Onlinehändler Amazon oder bei Karstadt bzw. Kaufhof für einen Tarifvertrag streiten, unser aller Solidarität mehr als verdient.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doch auch die Bundesregierung muss endlich ihrer Verantwortung nachkommen, allein schon, weil die Politik der vergangenen 15 Jahre eine maßgebliche Mitverantwortung für diese Entwicklung trägt. Denn wer vom Rückgang der Tarifbindung redet, darf von der Schwächung der Gewerkschaften durch die Agenda 2010 und deren Folgen nicht schweigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Fakt ist jedoch, dass es diese Bundesregierung bisher weitestgehend bei wohlklingenden Appellen an die Tarifpartner belassen hat. Fakt ist auch, dass Sie damit billigend in Kauf nehmen, dass Millionen Beschäftigte in nichttarifgebundenen Unternehmen von der Entwicklung der Tariflöhne abgekoppelt werden. Warum sorgen Sie also nicht endlich dafür, dass die anhaltende Tarifflucht gestoppt wird? Warum erleichtern Sie nicht endlich die Möglichkeit, Tarifverträge für alle Unternehmen der jeweiligen Branche für allgemeinverbindlich zu erklären? Nur so können doch auch diejenigen Unternehmen geschützt werden, die einen anständigen Tariflohn zahlen.

Als Linke haben wir dazu heute wieder konkrete Vorschläge vorgelegt. Dazu gehört, die Antragstellung für die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen zu erleichtern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch, das Vetorecht der Arbeitgeberverbände gegen solche Allgemeinverbindlichkeitserklärungen zu streichen.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])

Ich freue mich, dass auch die SPD auf ihrem jüngsten Parteitag einen gleichlautenden Beschluss gefasst hat. Aber dann handeln Sie jetzt bitte auch entsprechend!

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß natürlich auch, dass einige von Ihnen gleich wieder versuchen werden, mit Verweis auf die Tarifautonomie ihre eigene Untätigkeit zu kaschieren.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ja, damit habt ihr ein Problem!)

Deswegen klar und deutlich: Ja, die Tarifautonomie ist ein hohes Gut, auch für uns als Linke.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Grundgesetzlich geschützt!)

Aber Tarifautonomie bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen für eine funktionierende Sozial- und Wirtschaftsordnung.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Wo steht das denn?)

Wenn jedoch ein wachsender Teil der Unternehmen diese Verantwortung nicht mehr länger wahrnehmen möchte und keine Tarifverträge mehr akzeptiert, dann muss das Tarifvertragssystem gesetzlich gestützt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So war das übrigens – das können Sie nachlesen – bei der Entstehung unseres modernen Tarifvertragssystems vor rund 100 Jahren. Und anders wird es – das zeigt die Entwicklung der letzten Jahre – aktuell nicht gehen.

Deshalb: Hören Sie auf, bei diesem Thema den Kopf in den Sand zu stecken! Unterstützen Sie unsere Vorschläge! Sorgen Sie also mit dafür, dass Millionen Menschen in diesem Land künftig einen anständigen Tariflohn bekommen und am Ende des Jahres dann auch ein Weihnachtsgeld!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Bezahlen Sie Ihren Mitarbeitern Weihnachtsgeld?)